Auf der Autopista AP-36, wo Gedanken Purzelbäume schlagen und der Akku der Vernunft seinen letzten Atemzug nimmt, steuere ich mein Fahrzeug wie in Trance dem Sonnenuntergang entgegen. Mein Beifahrer, ein Anhalter, den ich an der letzten Raststätte aufgelesen habe, trommelte mit seinen Fingern eine Melodie auf dem Waschkrug, die kein Radio je spielen würde.
“Du wirst nie glücklich werden, wenn du weiter danach forschst woraus das Glück besteht. Du wirst niemals Leben, wenn du nach dem Sinn des Lebens suchst.” 1
murmelte er, als würde er aus einer anderen Welt sprechen, ein Mantra, das die Stille zerschnitt.
Auf dem ersten gemeinsamen Kilometern beschied er mir in seiner verzerrten Wahrnehmung, dass das Reisen nicht eine Frage des Ziels ist, sondern der Begleitung. Er sehnte sich nach einem Gefährten, der weder zu früh in den Tag starten noch zu spät in die Nacht hinein träumen wollte. Einen, der lacht, ohne zu wissen warum, und fragt, ohne eine Antwort zu erwarten.
Seine Worte hallten lange nach, während die Welt draussen in einem endlosen Prisma aus Farben und Fragen vorbei rauschte.
Als ich einen Blick zu ihm warf, schien sein eigener Blick gefesselt vom Waschkrug, als würde er darin das Gesicht eines Unbekannten erkennen – ein Gesicht, das lautlose Fragen in einer Welt stellte, die sich unserem Verständnis entzieht.
Er sass da, gefangen in einer Endlosschleife der Leere, umgeben von Gedanken, die ungreifbar waren wie Schmetterlinge im Sturm. Ein Stift baumelte an seinem Ohr, bereit, eine Geschichte zu schreiben, die nie erzählt werden würde.
Plötzlich erstarrte er, seine Finger verharrten auf dem Waschkrug, und er wandte sich mir zu mit einem Blick, der die Dämmerung zu spalten schien. “Weisst du,” sagte er mit einer Stimme, die nicht mehr die seine zu sein schien, “manchmal ist derjenige, der neben dir sitzt, nicht nur ein Reisegefährte, sondern der Schlüssel zu deinem Verständnis des Lebens.” Er zog einen alten, verwitterten Fotoapparat aus seiner Jackentasche. “Ich fotografiere Seelen, keine Orte. Und deine,” dabei deutete er auf mich mit einem sanften Lächeln, “war schon immer mein Ziel.”
Bevor ich auch nur reagieren konnte, verblasste seine Gestalt, als wäre sie nie mehr als ein Schatten gewesen, den die Morgensonne vertreibt. Waschkrug und Stift lagen da wie vergessenes Spielzeug nach dem Ende eines Kindertages. In meiner Hand hielt ich das Foto, das er gemacht hatte – ein Abbild meiner selbst, lachend, ohne zu wissen warum, fragend, ohne eine Antwort zu erwarten. Ein Fenster zu einer Seele, die sich im Dunst der Realität verlor. In diesem Augenblick lösten sich auch die Gestände auf, als wollten sie dem Anhalter in die Unendlichkeit folgen. Ein plötzlicher Regenschauer trommelte die Melodie des Anhalters gegen die Windschutzscheibe. Ein Kälteschauer durchfuhr mich, während ich mit schweissnassen Händen das Lenkrad umklammerte. Ich hatte tatsächlich einen Sekundenschlaf!
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Albert Camus ↩︎